Besuch der Slums

Auch wenn ich im Moment mit einer etwas fieseren Erkältung flach liege, wollte ich endlich mal den Eintrag zu den Slums hochladen (ich hoffe, die Qualität des Artikels hat darunter nicht zu leiden). Wie bereits im ersten Blogeintrag kurz erwähnt, hat uns Nelly seit letzter Woche Donnerstag an 3 Tagen insgesamt 7 Slums gezeigt. Uns wurden die Kinder vorgestellt und wir haben Bücher und Zahnbürsten zu verteilt, die uns gespendet wurden.


Doch bevor es um unsere Erlebnisse geht, ein paar Worte zu dem Projekt an sich:
In und um Liuku gibt es einige kleinere Slums, in denen leider auch viele Kinder unter ärmsten Verhältnissen leben – häufig werden sie von den Eltern losgeschickt, um im Müll nach brauchbaren Nahrungsmitteln oder Gegenständen zu suchen.
Da diese dann nicht zur Schule gehen können beziehungsweise die Eltern den Platz in der Grundschule nicht kaufen können, wird dieses Kind später keinen einigermaßen guten Job finden, wodurch es nicht aus dem Slum rauskommt. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wurde seit der 4. Generation an Freiwilligen (wir sind übrigens die achte) das Slumkidsprojekt aufgebaut. Dieses besteht darin, in Deutschland Paten für die Kinder zu finden, die diesen die (mit 80€ pro Jahr für unsere Verhältnisse recht billige) Grundschulgebühr bezahlen können. Außerdem werden die Patenkinder über das Jahr von uns besucht und betreut. Zum Patenschaftsprojekt gehören momentan 38 Grundschulkinder von der ersten bis zur vierten Klasse.

Sportunterricht in der Summerschool 2015
Sportunterricht in der Summerschool 2015

Außerdem gibt es noch die Summerschool, eine Nachhilfeschule in den chinesischen Sommerferien, bei der wir die Kinder über einen Zeitraum von 4 Wochen noch weiter unterstützen.
Da wir dieses Jahr deutlich weniger Freiwillige als in Liuku sind und wir noch nicht wissen, ob der Standort in der nächsten Generation überhaupt besetzt wird, besteht unsere Aufgabe neben dem weiterführen auch in dem Outsourcen des Projektes an die Chinesen. Auch wenn uns das vermutlich nicht vollständig gelingen wird, könnte man so den Kindern auch in den nächsten Jahren noch helfen, selbst wenn keine Deutschen mehr vor Ort wären.

Zurück zu uns. Auch wenn wir die Besuche, wie bereits im Einstieg erwähnt, auf verschiedene Tage verteilt wurden, haben wir uns nie wirklich lange in einem Slum aufgehalten, da die Fahrten und Wanderungen zu den Slums schon die meiste Zeit in Anspruch genommen hat. Diese Wege habe ich aber größtenteils sehr genossen, da man während der Fahrt viele neue Ecken der Stadt und während der Fußwege interessante Pfade durch Maisfelder oder Berghänge sehen konnte.
Die Slums selber waren sehr unterschiedlich in Bezug auf Größe, Lage und Aufbau – trotzdem möchte ich euch hier nur meinen Gesamteindruck übermitteln. Genauere Berichte zu den einzelnen Slums kommen dann bei den nächsten Besuchen.

Sie waren zuerst einmal kleiner als erwartet. Wenn man in unseren Medien von Slums hört oder liest, dann sind das eigentlich immer riesengroße Gebiete, in denen dicht gedrängt Wellblechhütten stehen. Hier haben wir schon von einem Slum gesprochen, wenn zwei Familien ohne Erlaubnis hinter einer Fabrik in kleinen Hütten leben. Wobei der größte Slum mit ca. 100 Einwohnern schon eher an unser Bild von einem Slum erinnert – auch wenn die Hütten nicht so eng beieinander standen. Diese waren aus allen möglichen Materialien gebaut: Bambus, Holz, Wellblech als Dächer, Brettern, Drähten, Planen, Plastik und manchmal etwas Lehm oder Steinen. Dabei hat mich beeindruckt, wie stabil diese Gebäude auch an zB einem Berghang stehen, obwohl sie behelfsmäßig aus gefundenen Materialien gebaut wurden.

Außerdem gab es noch einige weitere Dinge, die mich in den Slums beeindruckt haben. Da war eine gewisse Ordnung in all dem Chaos, die allerdings schwierig zu beschreiben war (ich habe es gerade mal versucht und bin gescheitert, vielleicht bekommt ihr ja denselben Eindruck über die Bilder). Die Stimmung der Menschen dort war gut – ich hätte zwar nicht erwartet, dass sie alle mit Trauermienen durch die Gegend laufen, aber trotzdem war es schön, den Kindern zuzugucken, wie sie auf Plastikflaschen die Hänge runtergerutscht sind. Zudem gab es immer eine Strom- und meist eine Wasserversorgung, sie sie nun die eigene oder vom Nachbarn (vielleicht in Absprache) angezapft.
Es gab auch einige interessante Widersprüche, der offensichtlichste war, dass in allen Hütten ein Fernseher stand (und lief, als wir da waren meist Garfield, aber in einem unschönen neuen Animationsstil :D ). Diese wurden wahrscheinlich von der chinesischen Regierung bezahlt, weil jede Familie einen Fernseher besitzen sollte.

Zu unserem eigentlichen Besuch: wir wurden immer sehr freundlich empfangen, uns wurde Tee oder Wasser angeboten, einmal habe ich noch einmal einen Maiskolben in die Hand gedrückt bekommen. Sobald wir in eine der Hütten getreten sind, wurden uns Stühle angeboten, es wurde Platz geschaffen, es wurden Hände gedrückt und einem zugelächelt. Die Kinder waren uns neuen Freiwilligen gegenüber noch recht scheu, was aber absolut verständlich und zu erwarten war, aber immerhin waren sie ja schon mit Nelly vertraut. Sie haben sich trotzdem sehr über das mitgebrachte Obst und die Bücher gefreut, besonders schön war für uns, als eine Mutter kurz danach mit einem Fahrrad an uns vorbeifuhr – die Kinder hinten auf einem Anhänger mit den neuen Büchern in der Hand.

Ich glaube, dass gerade hier Bilder mehr als 1000 Worte sagen. Also schaut auf jeden Fall mal in der Galerie vorbei ;)

Das war es dann auch erstmal wieder von mir,
Viele Liebe Grüße nach Deutschland,
Malte


Andere Länder, andere Sitten: Der Verkehr

Vom chinesischen Verkehr hört man ja immer so einige Schauergeschichten: 1. braucht man quasi keine Praxis, um an eine Fahrerlaubnis zu kommen. 2. ist der Verkehr hoffnungslos überfüllt und stressig. 3. fahren alle in China komplett rücksichtslos und interessieren sich nur für sich selbst.
Das stimmt auch, zumindest fast. Aber ich finde den Verkehr hier vor allem - - - faszinierend. Es läuft hier vieles total anders als in Deutschland, nämlich ohne jegliche Regel: Es gibt zwar Zebrastreifen, aber warum sollte man da für die Fußgänger halten? Rote Ampeln? Die sind doch zum rüberfahren gedacht. Man fährt um eine Kurve – am besten hupen, anstatt zu bremsen. In der Nacht ist Fernlicht doch perfekt, um den entgegenkommenden Fahrern einen Gruß in ihre Netzhaut zu brennen. Aber wenn ein Fahrzeug mal kein Licht hat, ist das auch okay.

Warum ist der Verkehr also faszinierend und nicht nervig? Weil er funktioniert! Auf eine sehr abstrakte Art und Weise gibt man Rücksicht auf die anderen Teilnehmer, obwohl es so aussieht, als würde man sich nur um sein eigenes Fahrzeug kümmern. Wenn der Busfahrer sieht, dass rechts noch ein Rollerfahrer langsam überholt, dann wartet er noch kurz, bis er rechts einschert. Und das ist eine Selbstverständlichkeit, bei der er völlig entspannt wirkt. Die Fahrer wissen irgendwie genau, wann jemand abbiegen will, ohne dass dieser Jemand blinken würde. Die Fußgänger gehen genau dann, wenn ein Fahrer gerade abbremst, als hätten sie sich gegenseitig abgesprochen – was sie, wenn sie nicht über Telepathie verfügen, nicht getan haben. Es ist eben einfach spannend, diesem Verkehr zuzuschauen und selbst daran teilzunehmen.
Außerdem gibt es einige sehr interessante Fahrzeuge, die ihr ebenfalls in der Galerie bewundern dürft.

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Kommentare: 1
  • #1

    Petra (Samstag, 07 November 2015 22:37)

    ...manches von dem, was Du schreibst, erinnert mich an meine Kirgistan-Tour 1995 - ich freue mich so für Dich, dass Du so spannende Erfahrungen machen kannst - und dabei sogar noch was bewirken! Weiterhin danke für den schönen Blog. petra