Die ersten Eindrücke

你们好 – Seid gegrüßt!
Nach anderthalb Tagen anstrengender Reise waren wir also doch endlich in Liuku angekommen. Das ist nun nur 9 Tage her, doch in dieser Zeit habe ich bereits so viel erlebt; die Stadt, die Menschen, die Schule(n) und die ersten Schulstunden als Englischlehrer, einen Besuch der meisten Slums in der Umgebung – sogar den ersten Stromausfall hatten wir schon.
Aber von vorne!

Am 14.10 ging der erste Flieger wie geplant von Hamburg nach Amsterdam, wo sich alle 30 Freiwilligen (die 31. müsste sich im Moment auf der Reise befinden) getroffen haben, um den gut neunstündigen Flug nach Peking zu beschreiten. Da ich das Vergnügen hatte, neben Knulli und mit sehr viel Beinfreiheit zu sitzen, war der Flug sehr angenehm.

 Tatsächlich haben wir nach einigem hin- und her unseren Anschlussflug gefunden, und nach 6-stündigem Aufenthalt in dieser völlig versmogten Stadt mussten wir uns von unseren Mitfreiwilligen in den anderen Provinzen trennen. Für uns Yunnaner ging es nach einer unglaublich anstrengenden Kontrolle (mehrmaliges Abtasten, Rucksackausräumen und ewiges Warten), dem Einchecken und einigen Blicken à la „was will diese Langnase denn in so einem Kaff“ weiter nach Kunming.

 Dort angekommen kam der nächste Abschied von den Pu’er-Menschen, da wir den nächsten Flug nach Baoshan nehmen mussten. Um 20.00 Ortszeit angekommen, wurden wir von der Ehemaligen Nelly und einer Englischlehrerin namens Amy abgeholt. Nach weiteren 4 Stunden Autofahrt sind wir völlig erschöpft im Hotel angekommen. Der 3. Flug hat uns zwar einiges an Reisezeit erspart, an Schlaf war für mich leider trotzdem nicht zu denken. Und um hier einmal Krisi zu zitieren: “unser ökologischer Fußabdruck ist damit wohl total im Eimer.“

Die erste Nacht in Liuku durften wir in einem recht guten Hotel genießen, da wir Mitten in der Nacht am Ziel der Reise angekommen sind. Dabei habe ich ein sehr luxuriöses Zimmer in der obersten Etage bekommen, in dem mich lediglich eine Kakerlake demonstrativ auf dem Klopapier erwartete.
Nachdem wir am nächsten Morgen für die nächste Zeit das letzte Mal eine richtige Dusche genießen durften, ging es ab auf die Straße und zu dem nächsten „Restaurant“, bei dem wir das erste liuku’sche Essen verspeisten: ErSe, eine Nudelsuppe mit Gemüseeinlage.

An dieser Stelle mal eine Beschreibung von unserer neuen Stadt, wie wir es innerhalb der letzten Woche kennen lernen durften; Liuku ist eine wunderschöne „Mittelstadt“, die lang gezogen an den Ufern des Nujiang (wilder Fluss) und im Tal vieler direkt angrenzender Berge liegt. Dadurch hat man eigentlich von jedem Punkt in Liuku aus eine atemberaubende Aussicht auf die umliegende Natur! Direkt hinter den meisten Straßen, die man entlanggeht, bäumt sich ein steiler Berg auf, der breite Fluss trennt die nächsten Berge von der Uferpromenade. Diese Berge sind einerseits dicht bewaldet, an einigen Stellen sieht man aber auch Felswände an den Hängen emporragen. Einige Flächen werden sogar bebaut, selbst wenn sie extrem steil sind. Außerdem kommen durch die vielen Höhenunterschiede sogar innerhalb der Stadt fantastische Ausblicke zustande.
Auch die Stadt selbst ist beeindruckend! An sich gibt es – abgesehen von einigen etwas wichtigeren Nebenstraßen – nur eine große Hauptstraße, die sich durch die ganze Stadt zieht. Im Erdgeschoss der anliegenden Häuser befinden sich kleine Läden, die meisten davon sind „Restaurants“, bei denen man häufig aber mehr auf dem Gehweg als im Laden isst.
Insgesamt fühlt man sich ein bisschen wie in einem Urlaubsgebiet. An der Promenade stehen viele kleine Stände mit Kettchen, Technikartikeln, „echten Bärentatzen“ oder Kleidung – und das, obwohl Liuku eine Stadt ist, die noch nicht wirklich vom Tourismuszweig erschlossen wurde. Sogar das für unsere westlichen Augen völlig unorganisierte Stromnetz sowie der abstrakte Verkehr haben es mir angetan.
Auch wenn es dunkler wird, verliert Liuku nichts von seiner Schönheit, aber die Stadt verändert sich: die vielen Leuchtreklamen bestrahlen die Straßen in ihrem bunten Licht und die Lichterketten an den Brücken und einigen Berghängen werden eingeschaltet. Die Obst- und Gemüsemärkte in den Seitengassen bleiben belebt, dafür wird der Verkehr etwas weniger. Dieser Übergang von Tag zu Nacht geschieht dann auch noch sehr schnell, da Liuku sehr viel näher als Deutschland am Äquator liegt. Was man übrigens auch am Wetter bemerkt, tagsüber ist es sehr warm, nachts hat man milde, sommerliche Temperaturen.
Abends trifft man häufig auf Menschentrauben, die sich um verschiedene Tänzer oder Musiker versammelt haben, welche einen Teil ihrer Kultur zeigen. Liuku ist nämlich eine Stadt voller verschiedener Minderheiten, was man in solchen Momenten deutlich bemerkt.
Man merkt schon, ich bin bereits jetzt ein bisschen in diese Stadt veknallt.

Genug von Liuku, weiter mit uns. Nach dem Frühstück ging es zu unserer Schule, der Minzu Zhong Zuan, wo wir eine kurze Begrüßung und Besprechung mit der Leiterin der Englischfachschaft hatten. Daraufhin wurden wir über den Hauptplatz der Schule zu unseren Wohnungen im Schlafgebäude der Jungs geführt – blöd nur, dass gerade zu der Zeit alle Schüler auf besagtem Platz versammelt waren. Da unser Weg dann sogar noch über ein Podest mit einer Statue von Konfuzius führte, waren die Blicke von hunderten Schülern auf uns gerichtet, was schon recht unangenehm für mich war. Aber auch daran muss man sich gewöhnen, denn als Langnase kommt es hier immer wieder zu solchen Situationen: Schüler fangen an zu klatschen, wenn sie einen sehen, man wird von allen Seiten angestarrt und es werden ungefragt Bilder geschossen (sogar beim morgendlichen Waschen, dazu gleich noch).

Nachdem wir nun aber vom Platz runter waren, wurden uns unsere neuen Unterkünfte gezeigt; ein Zimmer für Konrad, Tom und mich und ein etwas kleineres für Krisi und Nelly. Die Zimmer sind recht gut, gerade bei den Betten hätte es deutlich schlimmer kommen können. Da die Ehemaligen Freiwilligen an der Minzu, Nora und Julia, uns einiges an Sachen hinterlassen haben, waren wir die nächsten drei Tage viel damit beschäftigt, Kisten voller Unterrichtsmaterialien, Kleidung, Töpfen, Tellern usw. zu unseren Räumen zu tragen und zu sortieren. Sehr interessant war dabei das Aufbauen der Steckschränke, weil wir keinen Bauplan hatten: Es wurden Pläne gemacht, wieder verworfen, etwas aufgebaut, wieder abgebaut… Am Ende sind aber ganz gute Ergebnisse dabei rausgekommen.
Zwischen unseren Zimmern liegt übrigens eine Art Balkon, von dem aus man mit bester Aussicht auf die Waschstation und den dahinter aufragenden Berg kochen kann, was wir auch schon genutzt haben.

Vor 3 Tagen haben wir dann nur die Nachricht bekommen, dass wir gar nicht in diesen Wohnungen bleiben, sondern in eine Wohnung abseits der Schlafgebäude der Schüler ziehen… Also heißt es in ca. einer Woche noch einmal  umziehen.

Ansonsten hat uns Nelly in den Tagen nach der Ankunft viel von der Stadt gezeigt – wir wurden von explosionsartigen Böllerketten bei einer Hochzeit erschreckt, auf dem Untergrundmarkt Schlüssel anfertigen lassen, uns chinesische SIM-Karten gekauft, auf Dächer geklettert, um irgendwie an festes Internet zu kommen (was inzwischen sogar geklappt hat), beim ersten Stromausfall, den ich bisher erlebt habe, im Dunkeln gesessen und und und.

Auch sehr spannend war für mich das erste Waschen per Hand. Zusammen mit Krisi und Nelly hatte ich meinen ersten Waschgang – beide waren bei den Pfadfindern und hatten von daher schon einige Erfahrung. Ich hingegen war etwas hilflos und habe einige Lacher kassieren müssen, aber es war trotzdem ganz witzig.

 
Die Tage hier gehen unglaublich schnell vorbei und obwohl wir erst etwas mehr als eine Woche hier sind, kommt einem die Zeit so viel länger vor. Man wird geflutet von neuen Eindrücken, die man noch gar nicht alle verarbeiten kann.

 

 Soo Freunde der Sonne, das soll dann der erste Eintrag aus Liuku gewesen sein, die nächsten sollten inerhalb der folgenden Tage kommen und sich um die Schule & den Unterricht und den Besuch der Slums drehen.

In diesem Sinne, (Ahoi Philipp, falls du das liest)

再见 und bis bald,

Malte



Andere Länder, andere Sitten: Die Hygiene

Hygienemäßig ist das hier in Liuku so eine Sache. Erst einmal liegt wirklich viel Müll in der Gegend rum. Das liegt aber nicht daran, dass es keine Müllbeseitigung gibt; im Gegenteil, man sieht wirklich viele Straßenkehrer, Mülleimer und  -leider- auch einige Müllsammler, die sich durch das Sammeln von Aluminium oder Plastik ihren Lebensunterhalt verdienen. Der Grund liegt vielmehr darin, dass die Menschen hier einerseits unglaublich viel Müll produzieren, indem sie alles in Plastiktüten oder Verpackungen einpacken, und sie diesen andererseits einfach auf den Boden schmeißen. Das läuft übrigens auch in den Restaurants so – was immer an Müll anfällt oder einem nicht schmeckt wird auf den Boden geworfen. Ich werde noch sehr lange brauchen, um mich daran zu gewöhnen.

Außerdem spucken die Chinesen überall hin - und das mit einer beinahe beeindruckenden Lautstärke, bei der man sich fragt, wie ein gesunder, menschlicher Hals solche Laute erzeugen kann. Man stellesich vor - eine kleine Gruppe unschuldiger Freiwilliger geht des Nachts eine dunkle Gasse entlang. Eine in Schatten gehüllte Person kommt ihnen entgegen. Als sie die gruppe fast passiert hat, ertönt plötzlich ein beinahe ohrenbetäubendes CCCHHHHHRRRRRRRGGG, gefolgt von einem leisen Platscher. Ic hab mich mehr erschrocken als in jeder mittelmäßig guten Geisterbahn!
Der nächste Punkt sind die Toiletten. In China benutzt man Squattertoiletten, das heißt, dass man sich hinhockt, um sein Geschäft zu erledigen. In den öffentlichen Toiletten (Also auch die, die wir an unserer Schule benutzen) hat man nur eine lange Rinne, die durch eine Hüfthohe Wände in regelmäßigem Abstand getrennt ist, was einem einen kleinen Sichtschutz bietet. Diese Rinnen werden dann ungefähr alle 20 Minuten gespült. Den Geruch in diesen Toiletten kann man sich also, denke ich, vorstellen. Muss man aber nicht.

Zuletzt die Duschen. Die gibt es nicht. Stattdessen haben wir im Innenhof unseres Wohnblocks einen Platz mit ca. 25 Wasserhähnen und einem Abfluss, an dem man sich waschen kann. Tatsächlich ist das aber gar nicht so schlimm, wir Jungs haben inzwischen das Ritual, dass wir früh morgens in Badehose zu dieser Waschstation gehen und uns gegenseitig kübeln – das heißt, wir befüllen eine größere Schüssel mir Wasser und gießen es uns über den Kopf. Dabei wird man tatsächlich richtig sauber und es bringt sogar noch Spaß – auch wenn es sehr kalt ist (Zitat Kony:"Wir zittern nicht vor Kälte, sondern aus Wut, dass es nicht noch kälter ist) und wir schon ein paar Mal dabei fotografiert oder gefilmt wurden.


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Kommentare: 4
  • #1

    Svenja (Mittwoch, 28 Oktober 2015 17:58)

    Lieber Malte,
    wie spannend! Ich wünsche Dir eine tolle Zeit und freue mich schon sehr darauf, regelmäßig von deinem Abenteuer China zu lesen.
    Liebe Grüße Svenja.

  • #2

    Petra (Mittwoch, 28 Oktober 2015 18:43)

    Lieber Malte, in Sachen Dusche möchte ich ja nicht tauschen, aber die Bilder der Stadt sind schon wirklich beeindruckend! Viel Spaß und eine tolle Zeit wünsche ich Dir. Hoffentlich kommst Du dazu, öfter mal zu bloggen, ich freue mich darauf - liebe Grüße - petra

  • #3

    Timo F. (Donnerstag, 29 Oktober 2015 00:07)

    Schön das es dir gefällt. Hoffe der Kulturschock war nicht alzu groß. Deine Stadtbeschreibung war richtig gut, sodass ich selbst Lust habe die Stadt mal zu sehen, Naja du machst das schon.
    grüße Timo

  • #4

    Henny (Donnerstag, 29 Oktober 2015 20:45)

    Hey Malte,
    das hört sich ja alles sehr interessant und spannend an!:)
    Wie schön, dass es dir dort gefällt und gut geht. Eine Frage habe ich allerdings: Ist es einfach oder eher schwer sich zu verständigen, da beispielsweise nur wenige Englisch können?
    Liebe Grüße vom Telefon :P