Monatsberichte

Während unseres Auslandsjahres haben ich und alle meine Mitfreiwilligen den Auftrag, jeden Monat einen Monatsbreicht zu verfassen und an "Jugend im Ausland" zu schicken. Da es schade wäre, wenn ich euch - liebe Blogleserinnen und Blogserern - diese vorenthalten würde, könnt ihr sie hier finden. Sie werden etwas kürzer und seltener als die Blogartikel sein, also gut für diejenigen, die etwas weniger Zeit haben ;)

Es sei aber gesagt, dass die Monatsberichte nur eine A4-Seite lang sein dürfen, was sich dann auf die Qualität der Berichte auswirkt - man bekommt einen besseren Eindruck in den Blogeinträgen!


Auch hier gilt: Neuestes oben, Älteres unten.


Monatsbericht Mai

Mein letzter Monatsbericht hat mit dem Wetter angefangen, das wiederhole ich jetzt einfach, da mir einfach kein spannender Einstieg einfällt. Gegen Anfang des Monats hat es weiterhin so stark geregnet, dass man einen Großteil der zeit gezwungen war, in unserer geliebten Garage zu verweilen. Als dann endlich der Himmel etwas später im Monat aufklarte, wurde es so heiß, dass es erneut draußen (zumindest über die Mittagszeit) kaum auszuhalten war. Jedenfalls nicht, wenn man nicht klitschnass vor Schweiß im Unterricht auftauchen wollte.

 

Doch dafür hat kurz danach auch endlich eines der Freibäder geöffnet, welches ich seitdem mindestens dreimal die Woche besucht habe. Das liegt nicht nur an der Abkühlung, die man dort erwarten kann (nach dem Weg dahin ist diese allerdings auch dringend notwendig), sondern auch daran, dass man dort sehr einfach neue Menschen kennen lernen kann. Während viele der Chinesen trotz fehlender Schwimmfähigkeit trotzdem mit Schwimmflügeln ins Wasser hüpfen, habe ich nun auch schon Einige kennen gelernt, die zT noch häufiger als ich schwimmen gehen.

 


Während es zum Unterricht nicht viel Neues zu sagen gibt, gab es an unserer Schule dennoch ein paar anmerkungswürdige Ereignisse. Zuerst einmal war da das „culture and art festival“, bei welchem die verschiedenen Klassen ein paar Tänze und Lieder vorgeführt haben. Außerdem gab es zweimal ein paar englische Spielchen, die wir mit den Englischlehrern geleitet haben. Da das ganze über einen Zeitraum von vier Tagen ging, hatten die Schüler (und damit auch wir) vor allem eine Menge Freizeit. Am letzten Abend gab es, wie auch beim ersten Mal, eine größere Abschlussshow, bei der mich vor allem die letzte Performance richtig aus den Socken gehauen hat. Während die vorherigen Lieder und Tänze noch an Schulvorstellungen erinnerten, hätte man den letzten durchaus für professionell halten können. Und dann waren das auch noch zum großen Teil Schüler, die ich unterrichte. Ein guter Abschluss für meinen Geburtstag an diesem Tag, der sonst nicht sehr besonders war (was aber nicht unbedingt schlecht ist).

 

 

 

In der Projektarbeit haben wir nun endlich ein OK von der XSB-Grundschule erhalten, deren Räume für eine Summerschool nutzen zu dürfen. Damit können wir an dieser front endlich mit einer etwas genaueren Planung beginnen.

 

Was dann übrigens eine wunderschöne Überleitung zum Thema dieses Monatsberichtes darstellt: meine noch zu erfüllenden Wünsche. Da steht nämlich ganz oben die erfolgreiche Bewältigung einer Summerschool. Diesem Ziel sind wir nun ein bisschen näher, auch wenn wir noch einige Schritte vor uns haben. Erschwert wird das ganze dadurch, dass wir in diesem Jahr nur so wenige vor Ort sind und Krisi und ich einiges an Arbeit zu bewältigen haben. Aber das wird schon.

 

Außerdem ist es mein Wunsch, den Unterricht noch so gut wie möglich zu Ende zu führen und genügend (mehr oder weniger) sinnvolle Themen zu finden.

 

Drittens möchte ich noch mehr von China sehen, was ich dann hoffentlich noch im August an Angriff nehmen kann.

 


Monatsbericht April

Der April, der April, der macht, was er will. Wettermäßig stimmt das absolut, denn während der ersten Hälfte dieses Monats hatten wir hier in LiuKu unsere erste kleine Regenzeit. Bis ich eines Morgens in strömendem Regen und unter Blitzen zusammenzuckend in die erste Stunde aufbrach – und mit strahlender Sonne im Gesicht knapp eine Stunde später zum Frühstück aufbrach. Aber immerhin hat es uns nicht so stark erwischt wie die Stadt FuGong, die etwa drei Stunden nördlich von hier liegt. Hier wurden durch Überschwemmungen viele Teile der Stadt, darunter auch die Brücke der Hauptzufahrtsstraße, zerstört.

 

Dafür mussten wir nun endgültig in die Garage umziehen, nachdem uns in der alten Wohnung der Strom abgedreht wurde. Den haben wir hier unten zwar, dafür aber keinen Zugang zu Wasser oder Internet, außerdem sorgen irgendwelche chemischen Ausdünstungen für ständige Kopfschmerzen. Auf Nachfrage nach dem Grund des Auszuges wurde uns dann berichtet, dass sich ab dem 30. niemand mehr in dem Gebäude aufhalten dürfe. Unsere Schule bleibt also nach wie vor unorganisiert und unaufgeschlossen uns gegenüber, was die Stimmung noch mehr drückt. Mal schauen, ob demnächst noch ein Umzug kommen wird.

 

Aber immerhin läuft der Unterricht und die Projektarbeit soweit im Moment ganz gut, auch wenn es mir für ersteren noch immer schwer fällt, Themen zu finden. Außerdem wird es langsam etwas besser mit den Kontakten hier in LiuKu.

 

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Unsere Projektleiter haben uns darum gebeten, für diesen Monatsbericht einen Abschnitt über die „ShengNu“ (leftover women) zu schreiben. Von einer „übrig gelassenen Frau“ spricht man in China dann, wenn diese 27 oder älter und noch nicht verheiratet ist. Anfang des Monats ging ein Video viral, in welchem die japanische Autorin diese Problematik in China anspricht. Seitdem hat dieses Wellen geschlagen und in den Fußgängerzonen der größeren Städte Chinas stößt man inzwischen des häufigeren auf Flashmobs oder andere Aktionen, die dieses Thema ansprechen. Ich selbst konnte dieses Video aufgrund unserer momentanen Internetsituation und einer fehlenden VPN nicht sehen, aber vor zwei Wochen hatte ich mir ein paar Zusammenfassungen dessen durchgelesen – frischer geht’s leider im Moment nicht.

 

In China existiert ein sehr großer gesellschaftlicher Druck auf Männer und Frauen, früh zu heiraten. Dabei haben letztere es noch schwerer, da sie ab einem bestimmten Alter nicht mehr als heiratsfähig angesehen werden. Es gibt viele Heiratsmärkte, auf denen die Familienangehörigen nach passenden Partnern für ihre Söhne/Töchter suchen, ohne dass diese darauf irgendeinen Einfluss haben. Denn sollten die Kinder unverheiratet in die 30-er kommen, dann verlieren dadurch nicht nur diese, sondern die ganze Familie ihr Gesicht. Dadurch kommt es häufig dazu, dass Paare sich dazu entschließen zu heiraten, obwohl keiner der Partner wirklich dafür bereit ist. Das habe ich sogar schon erlebt: auf die Frage, ob die Ehefrau denn eigentlich heiraten wolle, meinte diese, dass das eigentlich nicht der Fall sei. Die Zeit stimme nicht und sie sei sich noch nicht einmal sicher, ob er der Richtige sei. Die Folge dessen sind oft Scheidungen, die dadurch noch verschlimmert werden, dass nach einer Heirat sofort Kinder erwartet werden. Auch hier hat das Paar keine wirklich eigene Entscheidungsgewalt. Auch das habe ich schon bemerkt, da auf unserer Schule viele Schüler sind, die mir erzählt haben, dass ihre Eltern in weit entfernten Teilen Chinas getrennt voneinander leben. Auch diese gesellschaftliche Erwartung kommt (vermute ich) hauptsächlich von den Eltern. Denn oft kümmern sich hier die Großeltern um die Erziehung und Betreuung der Kinder, während die eigentlichen Eltern arbeiten. Also ist es im Interesse dieser, dass die Kinder schnell vermählt werden, denn Kinder unverheirateter Eltern sind ebenfalls ein Tabu.

 

Im Video wird aufgeführt, dass die leftover women häufig diejenigen sind, die eine erfolgreiche Karriere anstreben oder schon erreicht haben. Sie hätten, so die Autorin, keinen Platz in der von Männern dominierten (Arbeits-) Welt, weshalb sie aus dieser verstoßen werden. Die Männer würden sich vor den erfolgreichen Frauen fürchten und hätten deshalb keinen Platz für diese in ihrem Leben. Dem stimme ich zwar teilweise zu, allerdings denke ich, dass die Männer eher von diesen erfolgreichen Frauen abwenden, da sie Angst um ihren eigenen Platz in der Gesellschaft haben. Denn sie ist keinesfalls von Männern, sondern von Zwängen dominiert. Der Mann muss der Ernährer der Familie sein, die Frau kümmert sich um den Haushalt oder hat einen kleinen Nebenjob. Wenn die Frau nun mehr verdienen würde als der Ehemann, könnte dieser sein Gesicht verlieren und selbst aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Das ist zwar nur eine Vermutung, allerdings würde sie passen, da sich eben solche Zwänge in jedem Alter bemerkbar machen. Ich würde sogar behaupten, dass man als junger Mann vor der Ehe mehr Druck und Verpflichtungen als als Frau hat.

 

Ich selbst weiß nicht, ob sich in meinem Bekanntenkreis „leftover women“ befinden – die Einzige, die mir einfallen würde, kann ich nicht fragen. Bei den Männern verhält es sich genauso, auch wenn aufgrund des Ungleichgewichts von Männern gegenüber Frauen mehr leftover men als women geben müsste. Es kann sein, dass diese Problematik in LiuKu einfach nicht so präsent wie in anderen Teilen Chinas ist – andererseits ist es auch möglich, dass diese leftovers sich nicht trauen, offen in Erscheinung zu treten, was gegen einen Stolz auf einen Singlestatus sprechen würde. Außerdem wird das nach dadurch bekräftigt, dass ich in Gesprächen noch niemanden erlebt habe, der gesagt hätte, dass er gerne ledig bleiben möchte. Die Zukunftspläne waren immer: Familie und Kinder.  

 

 

 


Monatsbericht März

Nach der langen Ferienzeit von fast zwei Monaten hat im März (endlich?) der Unterricht für uns wieder angefangen. Dabei wurde ein bisschen an unsere ersten beiden Wochen in Liuku erinnert: erneut mussten wir einige Tage auf unsere Stundenpläne warten, während die Schüler schon wieder lernen mussten. Außerdem wurden unsere Klassen ein bisschen durcheinander gewürfelt, sodass wir nun Einige unterrichten, bei denen wir dieses Vergnügen zuvor noch nicht haben durften.
Noch ein paar mehr Worte zum Unterricht: Wenn (fast) alles so klappt, wie man es sich vorgestellt hat, die Schüler sich beteiligen und uns selbst das Thema gefällt, bringen viele Stunden nach wie vor viel Spaß. Allerdings gibt es dann auch mal welche, bei denen einfach überhaupt nichts funktioniert, da der Stoff nicht verstanden wird, die Schüler gerade einfach keine Lust haben oder unsere Planung zu realitätsfremd war. Natürlich gehört das zum Lehrer-Sein dazu, das ist mir auch völlig bewusst. Mehr noch, dass nicht immer alles so läuft, wie man es sich vorgestellt hat, ist ein wichtiger Teil des gesamten Lebens. Aber als Lehrer ist man nicht nur für sich, sondern während der Stunde für alle 20 bis 60 Schüler verantwortlich. Wenn also eine der Stunden nicht funktioniert, darf das die ganze Klasse ausbaden.

Außerdem ist da noch die Sache mit der Stundenvorbereitung. Durch das Niveau der zum Teil gar nicht englisch sprechenden Schüler sind wir bereits in der Themenwahl sehr stark eingeschränkt. Beispielsweise war da der Versuch, das Thema der Geschlechterungleichheit zu behandeln – allerdings nur anhand eines einfachen Satzes, in den sie einsetzten sollten, was sie als das jeweils andere Geschlecht machen würden. Mit viel Zeit, dem Zugang zu Wörterbüchern und unserer Hilfe hätte das eigentlich klappen sollen, ging aber ziemlich in die Hose. Folglich können wir nur sehr einfache Unterrichtsthemen, wie das Wetter, Tiere, Hobbys usw., behandeln, diese aber auch immer nur sehr kurz, da wir die Klassen immer nur einmal die Woche unterrichten und in der folgenden Woche oft kaum noch Stoff von der vorherigen hängen geblieben ist. Und so langsam gehen uns die Themen aus…

Zusätzlich ist da noch die Methodik der Unterrichtseinheiten; während wirklich einfache Spiele, Lieder oder Aufgaben ganz gut funktionieren, kann man zB jegliche Gruppenarbeit völlig vergessen. Das liegt schon daran, dass unser Chinesisch noch nicht ausreicht, um komplexe Aufgabenstellungen zu vermitteln. Außerdem sind die Schüler an Frontalunterricht mit kurzen Unterbrechungen durch nachreden gewohnt, sodass sie oft zuerst denken, sie hätten uns falsch verstanden – denn so macht das ja keiner.

Das alles hört sich jetzt viel schlimmer an, als es eigentlich ist. Dennoch zeigt mir diese Situation, dass ich später wohl nicht Lehrer werden möchte, obwohl mir das Einige raten. Viele der Probleme entstehen zwar nur dadurch, dass wir im Ausland Lehrer sind, dennoch hinterlässt das ja einen Eindruck von diesem Beruf.

 

Nun, in diesem Monatsbericht soll es noch um meine persönliche Veränderung gehen. Einerseits ist mir da schon etwas aufgefallen, andererseits kann ich einiges gar nicht einschätzen.

Zu ersterem: Mir ist aufgefallen, dass ich die chinesische Eigenschaft angenommen habe, alles etwas gelassener zu sehen. Ich brauche nicht für alles einen genauen (Zeit) Plan, häufig reicht es, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Grundsätzlich bin ich entspannter geworden und nehme nicht mehr an so vielem Anstoß wie früher.

Andererseits kann ich andere Teile der Veränderung in mir (die es bestimmt gibt) nicht einschätzen. Diese könnten nur von bekannten Gesichtern in Deutschland eingeschätzt werden – ich bin ja kein neutraler Betrachter meiner Selbst. Das ist wohl keiner und jeder verändert sich durchgehend, trotzdem werde ich darüber erst so richtig Auskunft geben können, wenn ich wieder im Westen bin und mich mit Familie und Freunden austauschen konnte.


Monatsbericht Februar

Der Februar begann damit, dass ich von einem Schüler über das Frühlingsfest zu dessen Familie nach Hause eingeladen wurde. Ich kannte ihn zwar kaum (Außer dem Kontakt über WeChat hatten wir nicht sehr viel miteinander gemacht), dennoch freute ich mich sehr über seine Einladung und nahm deshalb an. Das bedeutete für mich, dass ich an den Familienbräuchen teilhaben durfte – die eigentlich fast alle etwas mit Essen zu tun hatten. Wir fuhren mehrmals zu Freunden, die zum Beispiel anlässlich des bevorstehenden Jahres ein Schwein schlachteten. Traditionsgemäß buken wir außerdem die „chinesischen Neujahrskuchen“, machten Jaoze oder schlachteten selbst einige Tiere. Darum kam auch ich nicht herum, eines der Hühner ließ durch meine Hand sein Leben – und kurz danach noch sämtliche Federn und Innereien. Überraschenderweise war das gar nicht so schwer für mich, wie ich erwartete hätte. Dennoch ist mir aufgefallen, wie ich zwei Stunden später eine andere Beziehung zu dem Fleisch hatte, als es in meine Reisschüssel geschaufelt wurde. Doch das nicht im negativen Sinne – ganz im Gegenteil, ich konnte das Fleisch nun mehr wertschätzen.

 Auch etwas speziellere Genüsse haben den Weg in meinen Magen gefunden. Da war rohes Blut, das zwar gut schmeckte, bei dem es aber unglaublich viel Überwindung kostete, sich die dunkelrote, wabbelige Masse in den Mund zu schieben. Tatsächlich war es sehr viel einfacher, auf dem etwas zähen Schweineauge herumzukauen, das mich vorher nur leicht vorwurfsvoll anblickte. Zumindest bildete ich mir das ein.

 Besonders schön war für mich, dass die Familie mich so gut aufnahm. Ich durfte an allem teilhaben und fühlte mich dabei häufig nicht wie ein Ausländer oder Fremdkörper, sondern wie ein Mitglied der Familie.

 

Außerdem war da noch das Zwischenseminar am Ende des Monats, bei dem sich alle 30 freiwilligen mit unseren beiden Projektleitern in Pu’er getroffen haben, der Stadt des Tees im Süden Yunnans. Hier tauschten wir unsere Erfahrungen aus, versuchten, Probleme zu klären, wurden für einige Themen sensibilisiert, besprachen Pläne für die Zukunft und noch vieles mehr. Es war wie beim Vorbereitungsseminar sehr anstrengend, dennoch war es wirklich toll, die anderen Freiwilligen sowie Luca und Micha mal wieder zu sehen und über alles reden zu können, was einem so auf dem Herzen liegt.

 

In diesem Bericht werde ich noch etwas zu meiner „andersten“ Erfahrung in China erzählen.
Mit anderen, unbekannten Situationen wird man in einem Land wie China, in dem vieles sich so fundamental von Deutschland unterscheidet, immer wieder konfrontiert. Da ist zum Beispiel die chinesische Offenheit und Gastfreundlichkeit, die man so in Deutschland nur sehr selten finden kann. Die Erfahrung, als Lehrer vor einer Klasse zu stehen, anstatt auf den Sitzen vor diesem fast einzuschlafen ist völlig neu. Außerdem sind da Gespräche mit Chinesen, die Hitler für einen großen, bewundernswerten Führer halten und es bedauern, dass er nicht länger an der Macht war.

 Doch wenn es darum geht, welche die anderste Erfahrung für mich ist, dann ist das keine von diesen, sondern der erste Tag in Liuku. Hier war alles völlig fremd: die Sprache, die Menschen, die Natur, die Häuser, die Schule, das Essen, die Blicke auf uns und so weiter. All diese neuartigen Erfahrungen sind auf mich eingeprasselt, sodass sich aus vielen einzelnen Dingen eine Erkenntnis formte: dass hier (so schien es mir zuerst) fast alles anders ist. Wenn ich nun auf fremde Erlebnisse stoße, dann ist da immer etwas, das ich schon kenne und gewohnt bin. Selbst wenn diese für sich alleine gesehen das fremdeste war, was ich bisher gesehen hatte, ist die Erfahrung des ersten Tages – ich bin jetzt in China – immer noch das „anderste“, was ich in meinem Freiwilligenjahr erlebt habe.


Monatsbericht Januar

In diesem Monat war Unterrichtstechnisch kaum etwas los. Da im Januar Examen geschrieben wurden und direkt nach diesen die Frühlingsferien beginnen, hatten wir effektiv nur die erste Woche Unterricht. Danach wurde uns Tag für Tag gesagt, dass heute für uns kein Unterricht stattfinden würde, wenn wir in den Klassenräumen erschienen – bis plötzlich niemand mehr in der Schule war.
Dafür haben Krisi und ich mal wieder die Slums besucht. Dabei haben wir Papier und Filzstifte mitgebracht, um Papierflieger –und Schiffchen zu basteln. Beim XiaoShaBa-Slum wurde daraus allerdings ein längerer Strandnachmittag, als wie die Papierboote im NuJiang zu Wasser lassen wollten. Völlig mit Schlamm und Sand verschmiert und erschöpft – aber glücklich – sind wir gegen Abend zurück nach Hause marschiert. Aber der Ausflug hat mir wirklich sehr viel bedeutet: Normalerweise habe ich, wenn es um das Projekt geht, nur mit der Organisation dessen zu tun. So hatte ich endlich mal etwas mit den Kindern zu tun und konnte diese zum Lachen bringen.
Weiterhin haben wir mit der Planung eines Infofilmes über das Projekt angefangen. Die Idee dafür kam von Sima und Soraya, die diesen ursprünglich nur auf ihrer alten Schule zeigen wollten. Uns ist allerdings aufgefallen, dass man ein solches Video für sehr viele verschiedene Zwecke nutzen könnte: allgemein zum Informationszweck, Spendensammlungen, für die Paten, usw. Es wird zwar viel Arbeit bedeuten, einen solchen Film zu produzieren, aber ich denke, dass sich der Aufwand lohnen wird. Zumal wir durch die Ferien momentan sowieso viel Zeit haben.


In diesem Monatsbericht möchte ich mich außerdem meinem neuen Lieblingsessen – und Ort widmen. Ersteres ist für mich einfach zu beantworten; chao JiaoZi (also frittierte Dumplings). Das liegt allerdings gar nicht primär am Geschmack. Sie schmecken zwar wirklich gut, erinnern mich ein bisschen an Frühlingsrollen, allerdings finde ich zum Beispiel HotPot noch leckerer. Es liegt viel eher an dem Laden, in dem wir das Essen verspeisen. Zuerst einmal ist es so richtig chinesisch: eine offene Küche, kleine Hocker, ein bisschen eng –trotzdem sind immer viele Gäste da. Die Köchinnen sind unglaublich freundlich und fangen immer wieder kleinere Gespräche mit einem an. Selbst wenn ich gerade nur kurz an dem Geschäft vorbeigehe, strahlen mich die Frauen derart nett an, dass ich mich am liebsten zu ihnen setzen würde, wozu es tatsächlich auch schon gekommen ist. Weiterhin habe ich mit Krisi beim JiaoZi-Essen viele für mich wichtige Gespräche gehabt, weshalb ich wohl noch mehr gute Erinnerungen an diese habe.

Man merkt schon, dass dieser Laden auch einer meiner Lieblingsorte ist. Dennoch ist DER Lieblingsort für mich ein bestimmter Berggipfel. Auf diesem sind zwar (meist) keine Menschen, die diesen für mich besonders machen, sondern das genaue Gegenteil. Dort oben fühle ich mich aufgrund der Stille, Nähe zur Natur und dem Abstand zum Leben in der Kleinstadt so gut. Schon auf dem Weg dorthin kann man alle Probleme hinter sich lassen, um einfach mal komplett freie Zeit genießen zu können.


Monatsbericht Dezember

Bevor ich zum eigentlichen Thema dieses Monatsberichtes komme, möchte ich noch einmal kurz Bezug auf den letzten nehmen. Bei der Projektarbeit hat sich nämlich noch einmal einiges getan. Wir konnten ungefähr ein Drittel des Kleiderbestandes an die private Gruppe aus Fugong weitergeben, die diese bereits sinnvoll in ihrer Umgebung verteilen konnte.

 

 Außerdem ist das Slumkid, welches die Blinddarmoperation hatte, nun nach einigen Komplikationen wieder vollständig genesen. Wir haben uns dazu entschlossen, die Familie finanziell zu unterstützen und ich bin nun dabei, Spendenaufrufe in verschiedenste Richtungen zu verschicken.

Doch nun zu meinen neuen Freunden. Ich fange mal bei der Schule an: Leider hat sich die Situation an dieser entgegen unserer Hoffnungen noch nicht verbessert. Die Lehrer zeigen nach wie vor kein Interesse an uns, häufig fühlen wir uns, als wären wir vor allem eine zusätzliche Last für sie. Das beste Beispiel dafür ist, dass wir nach wie vor nicht von der Englischfachschaft zum gemeinsamen Essen eingeladen wurden. Dies ist in China von großer Wichtigkeit, doch selbst nachdem wir versuchten, die Lehrer unsererseits einzuladen, kam nichts zurück. Ich kann sagen, dass ich zu der Verkäuferin in meinem Stammobstgeschäft ein besseres Verhältnis als zu jedem Lehrer dieser Schule habe. Die Schüler sind zwar oberflächlich interessiert an uns, doch leider gleichzeitig sehr schüchtern. Dadurch haben wir leider, außer bei kurzen Konversationen, auch mit den Schülern nicht sehr viel Kontakt.

Dazu kommt noch, dass wir erneut umziehen sollen. Diesmal in eine Art Garage, in der wir durch die Lage im Erdgeschoss direkt bei der Kantine und das nicht verschließbare Tor noch nicht einmal den Anschein von Privatsphäre haben. Insgesamt fühlen wir uns an der Schule also nicht willkommen.

 

Auch in der Stadt finden wir keine Freunde. Man schließt zwar kleinere Bekanntschaften, zum Beispiel zu den Nachbarn, die einen im Vorbeigehen einfach schnell zum Grillen einladen. Oder man kommt bei einer Bergwanderung an einem kleinen Bauernhof vorbei, wo man auf ein Tässchen Tee hereingebeten wird. Doch aus diesem flüchtigen kennenlernen entwickelt sich leider nicht mehr. Dabei kann man nicht sagen, dass wir uns nicht bemühen würden. Gerade um die Weihnachtszeit haben wir uns mit Weihnachtskärtchen, kleineren Geschenken und einer Weihnachtsfeier (bei der von acht eingeladenen Gästen letzten Endes einer da war) bemüht, Freunde zu machen. Doch schlussendlich habe ich nur eine richtige Freundin, die chinesische Kontaktperson des Slumkidsprojektes.

Das hört sich alles sehr negativ an. Ich möchte anmerken, dass ich nach wie vor in die Stadt an sich vernarrt bin. Die Projektarbeit und der Unterricht machen weiterhin viel Spaß. Aber leider ist eines der für mich wichtigsten Dinge, der kulturelle Austausch, aufgrund der fehlenden Kontakte kaum möglich.

 

Schnell mal auf ein Tässchen Tee auf dem Gipfel des Berges eingeladen...
Schnell mal auf ein Tässchen Tee auf dem Gipfel des Berges eingeladen...

Monatsbericht November

Die Tage hier in Liuku vergehen wie im Fluge – und schon ist der nächste Monatsbericht fällig. Dieser soll von den Mitfreiwilligen und der neuen Arbeit berichten, doch zuerst ein paar Worte zu den Erlebnissen der letzten 5 Wochen.

Tatsächlich sind wir nun in eine eigene Wohnung umgezogen, in der wir zwar nur einen staubigen Betonboden, dafür aber vier Zimmer, zwei Balkons und eine eigene Klosche haben. Nachdem dann aber die ehemalige Freiwillige Nelly vor ca. drei Wochen in Richtung HongKong abgereist ist, sind wir nun auf uns alleine gestellt. Dennoch kommen wir soweit recht gut zurecht. Zwar mangelt uns es noch immer an Kontaktpersonen, da die Englischlehrer unserer Schule weiterhin nicht besonders viel mit uns machen (wir versuchen seit langem, mit ihnen Essen zu gehen), dafür haben wir ein paar Bekanntschaften mit Nachbarn, den Ansprechpartnern bei den Projekten und anderen Lehrern machen können.
Weiterhin haben wir die Umgebung von Liuku weiter erkundet, indem wir eine Bergwanderung auf eigene Faust querfeldein veranstaltet haben und uns eine Lehrerin einen äußerst schönen Wanderweg an einem Berghang Liukus gezeigt hat. Außerdem mussten wir ein Patenkind etwas außerhalb besuchen – dazu gleich. Ferner wurden wir zu einem Polterabend und der Hochzeit am folgenden Tag eingeladen.

Die neue Arbeit ist in zwei Bereiche zu teilen: den Unterricht und die Projektarbeit. Ersterer läuft immer besser; viele Schüler trauen sich jetzt schon lauter und vor anderen Schülern auf Englisch zu sprechen. Außerdem merkt man ihnen an, dass die meisten Spaß am Unterricht haben und sich auf den Unterricht freuen, was uns immer wieder sehr freut. Im Unterricht arbeiten wir als Teams, wobei ich mit Tom zusammen unsere Klassen unterrichte. Das funktioniert auch meist sehr gut, gerade wenn man mal kurz nicht weiß, wie man eine Aufgabe anders erklären könnte, damit die Klasse sie versteht, kann der andere helfen. Außerdem sehen 4 Augen mehr als 2.

In die Projektarbeit sind wir inzwischen auch komplett eingestiegen. Ich habe dabei die Koordination für das Slumkids-Projekt übernommen. Das bedeutet für mich vor allem, dass ich der Ansprechpartner für die Paten, die betreuten Kinder und deren Eltern, der beiden Grundschulen und unserer Kontaktperson, Miss Liz, bin. Gerade in den letzten beiden Wochen habe ich dadurch viele Mails bezüglich der Patenschaften und einige andere Nachrichten geschrieben und erhalten

Einige Besuche bei besagten Grundschulen waren auch dabei, der letzte in diesem Monat, um eine Deposition in Höhe von 400 abzuholen. Aus diesen wurden aber plötzlich 7, wodurch eine Gesamtsumme von 4200 zustande kam. Ich will mich aber nicht beschweren ;).
Außerdem hatten wir bereits zwei Notfälle: eine unserer Erstklässlerinnen konnte aufgrund einer Darminfektion für längere Zeit nicht zur Schule gehen, weshalb wir sie besucht haben und sie nach einigen Überlegungen ins Krankenhaus gebracht haben. Inzwischen geht es ihr besser.
Der zweite Fall, mit dem wir im Moment auch immer noch beschäftigt sind, ist der Blinddarmdurchbruch eines anderen Schülers. Die OP hat er bereits hinter sich, jetzt ist es unsere Aufgabe zu überlegen, wie viel der Kosten wir übernehmen werden.
Außerdem haben wir bezüglich des Kleiderprojektes Kontakt mit Fugong aufgenommen und versuchen zusätzlich, die Wasseranlage an unserer Schule wieder in Gang zu bringen.

Zwischen uns Freiwilligen läuft es soweit auch recht gut – man geht sich zwar schon ab und zu auf die Nerven, aber das ist auch ganz normal, wenn man zu Viert auf engstem Raum zusammen lebt.


Monatsbericht Oktober

Am 14. Oktober ging es dann also wirklich los. Für uns fünf Norddeutsche ging der Flug um 12.30 ab Hamburg, um uns kurz darauf mit den anderen „Chinesen“ in Amsterdam für den Weiterflug zu treffen. Darauf hatte ich mich auch schon länger gefreut, vor allem der Flug mit Ulli nach Peking war wirklich witzig – und aufgrund der Sitze mit extra Beinfreiheit, die wir uns vorher reserviert hatten, auch sehr angenehm. In Peking selbst hat die Weiterreise dann auch einigermaßen gut geklappt, nach dem wir uns schweren Herzens schon wieder von den Anderen verabschieden mussten. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Kunming ging es weiter nach Baoshan, wo wir von Nelly (Ehemalige) und Amy (Englischlehrerin) abgeholt wurden und die restliche Strecke nach Liuku mit dem Bus zurücklegten. Mit insgesamt anderthalb Tagen war die Reise doch kürzer als gedacht.
Nachdem wir die erste Nacht noch im Hotel verbrachten, sind wir am nächsten Morgen zu unserem neuen Zuhause, der Minzu Zhong Zhuan aufgebrochen. Die nächsten Tage dort waren geprägt von Auf- und Umräumaktionen (die ehemaligen Freiwilligen haben uns seeeehr viel Zeug da gelassen), Nelly, die uns viel von der Stadt gezeigt hat und allgemein der Gewöhnung an die neue Umgebung. Die aber bestimmt noch lange nicht abgeschlossen ist.

Hier an der Minzu haben wir uns die 2 Zimmer und den Balkon vor diesen soweit recht nett eingerichtet, Krisi und Nelly schlafen in dem kleineren, Konrad, Tom und ich schlafen zu dritt in dem anderen. Aber in diesen Räumen werden wir nicht mehr lange bleiben – demnächst geht es in eine andere Wohnung abseits des Schlafgebäudes der Jungs, da es für Krisi „hier zu gefährlich sei“.

Die Lehrer an der Schule zeigen leider wenig bis gar kein Interesse an uns, was uns tatsächlich sehr stört – dafür sind die Schüler nett und bisher voller Motivation bei unserem Unterricht dabei.

Liuku ist dafür wirklich der Hammer! Die wunderschöne Natur hat es mir absolut angetan; da ich aus dem flachen Schleswig-Holstein komme, sind Berge immer wieder etwas Faszinierendes für mich. Man hat eigentlich von jedem Punkt in Liuku aus eine fantastische Aussicht auf die dicht bewaldeten Hänge, bei denen an einigen Stellen steile Felswände hervorblitzen.  Zusätzlich sorgt der breite Fluss, der sich durch die gesamte Stadt schlängelt, für eine noch schönere Umgebung.

Aber auch die Stadt selbst ist beeindruckend! Tagsüber hat sie etwas von einem Urlaubsort; an der Promenade sind viele kleine Stände, in dem Touristenartikel angeboten werden. In den Erdgeschossen der Gebäude an den Straßen befinden sich viele kleine Läden, die meisten davon sind kleine Restaurants.

Wenn es dunkler wird, verändert sich die Stadt jedoch – die Straßen werden von den vielen Leuchtreklamen und Lichterketten in bunte Farben gehüllt, an vielen Plätzen kann man Menschentrauben beobachten, die sich um Tänzer oder Musiker versammelt haben, um ihnen dabei zuzusehen, wie sie ein Teil ihrer Kultur präsentieren. Denn Liuku ist eine Stadt der Minderheiten, was sich in solchen Momenten bemerkbar macht.

Wir unterrichten inzwischen, elf Stunden pro Woche, was einem einen gewissen Tagesablauf liefert. Am Wochenende und in den Zeiten zwischen dem Unterricht beschäftigen wir uns oft mit der Projektarbeit, in die Nelly uns einführt. Am Samstag (24.10) haben wir die nördlichen Slums besucht, um dort Bücher zu verteilen, die uns gespendet wurden. Außerdem konnten wir dadurch die Kinder vor Ort das erste Mal kurz kennen lernen.